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rogen sind keine neue Erfindung. Einige Historiker argumentieren, dass bereits seit Beginn der Menschheitsgeschichte der Mensch nach Möglichkeiten sucht, sich „zu benebeln“. Es wäre daher etwas „Normales“. Doch hier lässt sich natürlich einhaken: 1. Nur weil etwas „normal“ ist, muss es nicht gut sein. 2. Nicht alle Menschen haben den Wunsch, Drogen zu konsumieren.

Was können also die Gründe sein, nach Kokain, Alkohol und Co. zu greifen?

Eine differenzierte Betrachtung offenbart, dass die Ursachen dahinter oft vielschichtig sind und sich von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden.

Vorabüberlegung: Konsum oder Sucht?

Drogensucht ist gleich Drogenkonsum, aber nicht jeder Drogenkonsum mündet in eine Drogensucht. Dies ist vor allem bei der Alltagsdroge Alkohol zu beobachten. Obgleich geschätzte drei Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland eine alkoholbezogene Störung haben, sind nicht alle alkoholtrinkenden Erwachsenen Alkoholiker.

Ähnliches greift für Konsumenten manch anderer Drogen wie Ecstasy, Cannabis oder Kokain, was ihre Gefährlichkeit nicht schmälern soll. Dennoch: Ein Konsum von Drogen muss nicht in eine Abhängigkeit führen.

Wer jedoch Suchtmittel nimmt, setzt sich grundsätzlich dem Risiko aus, danach süchtig zu werden.

Typische Gründe für einen Drogenmissbrauch

Eine Studie offenbart, welche Gründe junge Menschen nennen, warum sie zu Drogen gegriffen haben:

  • Ich möchte dazugehören.
  • Als Mittel zum Protest.
  • Ich wollte es einfach mal ausprobieren.
  • Ich wollte mich erwachsener fühlen.
  • Mir war langweilig.
  • Ich wollte für einen Moment meine Probleme vergessen.
  • Ich wollte mich entspannen.

Werden diese Wünsche erfüllt, wenn jemand Drogen nimmt? Im ersten Moment scheint es so zu sein. Schaut man genauer hin, lautet die Antwort allerdings ein klares Nein. Für die oben genannten Wünsche gibt es andere und bessere Wege, denn der Drogenkonsum ist meist der Anfang von größeren Problemen.

Die Ursachen sind oft gut verborgen

Ein schwieriges Elternhaus, Jobverlust, Liebeskummer und vieles mehr können Gründe sein, nach Drogen zu greifen. Neben diesen plakativen Gründen gibt es jedoch noch viele weitere Ursachen, die oft parallel auftreten.

Hierzu ein Beispiel:

Henning W. arbeitet in einer Investmentbank. Er arbeitet viel und gerne. Seine Chefs sind mit ihm sehr zufrieden und er verdient dementsprechend gut. Eines Tag erhält Henning mit Karsten U. einen neuen Kollegen. Schnell stellt sich heraus, dass der jüngere Karsten noch bessere Abschlüsse macht als Henning. Dieser fängt an, sich über seine Position bei der Arbeit Sorgen zu machen, gerät in Stress und beschließt, noch mehr zu arbeiten. Um dafür fit zu sein, beginnt Henning Kokain zu konsumieren. Eine Weile scheint dies gut zu funktionieren, aber seine Schlafqualität leidet darunter. Er kann aufgrund der aufputschenden Wirkung des Kokains kaum noch schlafen. Also greift Henning zu verschreibungspflichtigen Mitteln wie Valium und gönnt sich allabendlich mindestens einen Absacker (Alkohol). Der Mix „bringt ihn runter“. Das Kokain sorgt für das Hoch. Doch auch dies geht nicht lange gut. Henning ist jetzt schneller gereizt und fährt leicht aus der Haut.  Konzentrationsschwierigkeiten entstehen, die Hennings Fehlerquote erhöhen. Letztlich steht er kurz vor der Kündigung.

So wie bei Henning sehen einige Suchtbiografien aus. Sie sind zwar individuell unterschiedlich, aber zumeist gibt es mehrere Auslöser für den Drogenmissbrauch.

Ob Liebeskummer, toxische Beziehung, Leistungsdruck, Schmerzen, Langeweile oder Trauer: Letztlich steckt hinter einem häufigen Drogenkonsum irgendeine Form von Stress bzw. Unzufriedenheit, die dazu führt, bewusstseinsbeeinflussende Mittel zu konsumieren.

Wer dies auf Dauer tut, entwickelt sich durch die toxische Substanz oft selbst zu einer toxischen Persönlichkeit, die auch anderen schadet – direkt oder indirekt.

Können die Gene ein Suchtpotenzial erhöhen?

Dies ist eine Streitfrage, die Wissenschaftler sehr unterschiedlich beantworten. Studien lassen vermuten, dass sich das Suchtpotenzial erhöht, wenn die Mütter bereits drogensüchtig waren. Gibt es demnach genetische Konstellationen, die die Ausbildung einer Suchtkrankheit begünstigt? Vielleicht. Gesicherte Ergebnisse gibt es dazu nicht.

Fest steht: Drogensüchtige kommen aus Familien mit Drogensüchtigen und genauso aus Familien ohne Drogensüchtige.

Selbst wenn es eine genetische Disposition geben sollte, müssen noch weitere Faktoren hinzukommen, um tatsächlich einen hohen Drogenkonsum auszubilden.

Drogenmissbrauch und biologische Faktoren: Wie sieht es damit aus?

Biologische Faktoren dürfen nicht mit der Genetik verwechselt werden. Sie sind nicht von Geburt an da, sondern entstehen erst während des Drogenkonsums. So nimmt die Droge einen Einfluss auf das Gehirn des Konsumenten. Welcher dies ist, hängt von der Droge und auch von dem Konsumenten ab. Drogen wirken nicht bei allen Menschen zu 100 % gleich.

Die strukturellen Veränderungen, die Drogen im Gehirn auslösen, können eine entscheidende Bedeutung bei dem Verlangen nach mehr Drogen einnehmen. So sorgen viele Substanzen dafür, dass der Körper mehr Glückshormone ausschüttet und der Konsument sich selbstbewusster sowie glücklicher fühlt.

Den Drogenmissbrauch setzt das Hirn mit einer Belohnung gleich. Verblasst die Wirkung der Substanz, verblasst das Glücksgefühl.

Um es sich zurückzuholen, wird die Droge erneut konsumiert. In diesem Zusammenhang spricht die Wissenschaft von einem Suchtgedächtnis, was sich übrigens auch auf das Essen als Belohnung übertragen lässt. Nur ist hierbei die körperliche Abhängigkeit aus biologischer Perspektive geringer.

Soziale Faktoren für den Drogenkonsum

Wie Jugendliche und Erwachsene mit legalen und illegalen Drogen umgehen, hat unter anderem seine Wurzeln in der Kindheit. Beobachtet der Nachwuchs, wie Eltern oder ältere Geschwister häufig Drogen konsumieren, steigt die eigene Akzeptanz und das Risiko für den eigenen Drogenkonsum oder sogar eine Drogenabhängigkeit. Allerdings hat das Leben mit z. B.  drogenabhängigen Eltern bei manchen Kindern auch zur Folge, dass sie sich vehement dagegen wehren. Doch sich nur auf die Kindheit zu beschränken, wäre falsch. Spätere soziale Einflussfaktoren können ebenfalls dazu beitragen, bewusstseinsverändernde Substanzen zu nehmen. Isolation und drogenabhängige Freunde sind dafür Beispiele.

Fehlt es Drogenkonsumenten an Widerstandskraft?

Seit einigen Jahren taucht in der Populärwissenschaft immer wieder der Begriff der Resilienz auf. Er lässt sich wie folgt definieren: „Resilienz ist die Fähigkeit, seine psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrechtzuerhalten oder danach schnell wiederherzustellen.“ Hiermit ist also eine besondere Form der Widerstandskraft in Krisensituationen gemeint. Da viele Menschen, in schwierigen Lebenssituationen verstärkt Rauschgift konsumieren, wären Drogenkonsumenten folglich weniger resilient.

In der Tat mangelt es Drogenkonsumenten häufig an Strategien, um mit Stress, Trauer oder Leid gesünder umzugehen.

Sie wählen den vermeintlich einfacheren Weg und greifen zu bewusstseinsverändernden Substanzen, um Realitätsflucht zu betreiben. Dies bestätigt eine Studie der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die zur Prävention des Drogenkonsums bei Heranwachsenden diente. Ein Ergebnis aus ihr war: „Programme, die auf personenspezifische und umgebungsspezifische Schutzfaktoren in Verbindung mit Resilienz in schulischen Einrichtungen ausgerichtet sind, erwiesen sich als wirksam bei der Prävention des Konsums von Drogen, nicht jedoch bei Tabak- oder Alkoholkonsum.“

Dennoch lässt sich nicht verallgemeinern, dass Menschen, die Drogen konsumieren, automatisch weniger resilient sind. Häufig mag dies der Fall sein, aber nicht immer. Dafür sind die Ursachen für den Drogenkonsum und das Suchtpotenzial zu vielfältig.

Weitere Quellen:

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Photo by Efren Barahona on Unsplash

Publiziert am
Oct 25, 2022
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